
Nach vier Jahren in ihrem erlernten Beruf als Ergotherapeutin wagte Beate Hörz den Quereinstieg in die Landwirtschaft. Auf dem Bio Gemüsehof Hörz setzt sie sich nun schon seit 26 Jahren gegen Lebensmittelverschwendung ein. Ihr Projekt „Bodenschätze“ wurde 2019 mit einem Förderpreis des Zu gut für die Tonne! – Bundespreis prämiert. Ziel des Projekts: Unperfektes Gemüse vergünstigt an Studierende vermarkten. Wir haben mit ihr über Lebensmittelwertschätzung, Gemüse zweiter Wahl sowie die Herausforderungen und Chancen ihres Projekts gesprochen.
Der Anspruch: verantwortungsvolle Landwirtschaft
Als Beate Hörz und ihr Ehemann den Bio Gemüsehof Hörz 1995 übernehmen, steht eines schnell fest: Er soll nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes umgestellt werden. Zwar erfuhr der Begriff „Nachhaltigkeit“ zu dieser Zeit noch keine Hochkonjunktur, dennoch waren die beiden schon damals fest überzeugt von der Idee, eine „enkeltaugliche Landwirtschaft“ zu betreiben und ihren Kindern gesunde Böden zu hinterlassen. Auf dem Hof wird daher das Modell der Kreislaufwirtschaft mit voller Überzeugung verfolgt: Abfälle, die im Zuge der Verarbeitung von Lebensmitteln entstehen, werden zu hauseigenem Kompost verarbeitet und wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Einer Verschwendung wertvoller Rohstoffe wird so der Kampf angesagt. „In der Tonne landet bei uns gar nichts“, sagt die 55-jährige Geschäftsleiterin. Aber nicht nur betriebsbedingte Abfälle verwertet Hörz weiter, auch krummes, äußerlich nicht ganz perfektes Gemüse erhält mit dem Projekt „Bodenschätze“ eine zweite Chance.
Zweite Chance für unperfektes Gemüse
Laut Gesetz müssen Lebensmittel schon lange nicht mehr gerade oder „perfekt“ sein. Da viele Händler:innen und Verbraucher:innen dies aber nach wie vor erwarten, landen Obst und Gemüse in Deutschland aufgrund von Schönheitsfehlern oftmals in der Tonne. Auf dem Bio Gemüsehof Hörz veranschaulicht unter anderem die Kohlrabiernte diese Problematik: Laut Beate Hörz lassen sich lediglich 60 bis 70 Prozent des geernteten Kohlrabis auf regulärem Weg verkaufen – und das in guten Zeiten. Die restlichen 30 bis 40 Prozent hingegen können aufgrund äußerlicher Schäden nicht als Ware erster Wahl verkauft werden. Mit dem Projekt
„Bodenschätze“ setzt der Bio Gemüsehof Hörz diesem Problem eine zukunftsträchtige Lösung entgegen und wurde daher 2019 mit einem der Förderpreise des Zu gut für die Tonne! – Bundespreis prämiert.
Aber wie funktioniert das Ganze? Der Gemüsehof fing 2018 an, zusammen mit der Universität Hohenheim Abgabezyklen für Gemüse „zweiter Wahl“ einzurichten. Studierende konnten so in vier jeweils vierwöchigen Zeitfenstern in Tüten abgepacktes Gemüse auf ihrem Campus abholen. Die Bestellung erfolgte bequem per Mail, bezahlt wurde per Lastschrift. Bei der Zusammenstellung der Tüten wurden jeweils vier saisonale Gemüsesorten ausgewählt. Für sieben Euro erhielten die Studierenden 2,5 Kilogramm Gemüse. Die Initiatorin des Projekts sieht darin einen Gewinn auf mehreren Ebenen: Das nicht perfekte Gemüse wird nicht nur verschenkt oder zu Kompost verarbeitet, sondern lokal von dem Betrieb vermarktet. Gleichzeitig erhalten Studierende hochwertiges Bio-Gemüse zu vergünstigten Preisen und ein aufwändig gepflegtes Lebensmittel findet Abnehmer:innen. Auch die im Anbau verbrauchten Ressourcen werden so wertgeschätzt. Dass das Projekt ein voller Erfolg ist, beweist die rege Nachfrage: In den bislang realisierten Abgabezyklen wurden mehrere hundert Tüten verteilt. „Mit der Vermarktung der Bodenschätze konnten wir so letztes Jahr über sieben Tonnen krumme Lebensmittel vermarkten“, berichtet Beate Hörz stolz.
So fing alles an
Die Idee für das Projekt entstand im Jahr 2015, als Beate Hörz von sogenannten Studierendenkisten erfuhr, bei denen auf Basis von Kooperationen zwischen Landwirtschaftsbetrieben und Universitäten Gemüse und Obst an Studierende abgegeben werden. Es folgte ein Interview mit einer engagierten Studentin über die Vermittlung von Lebensmitteln zweiter Wahl. Beate Hörz verknüpfte die beiden Ansätze kurzerhand – die Idee für das Projekt „Bodenschätze“ war geboren. Ein erster Versuch scheiterte aufgrund fehlender Verkaufserlaubnis seitens der vorgesehenen Partneruniversität. Doch dies konnte Beate Hörz nicht von ihrer Idee abbringen. Der zweite Versuch – die Kooperation mit der Universität Hohenheim – war glücklicherweise erfolgreich. „Engagierte Menschen, die den Weg vonseiten der Universität ebnen konnten, waren ein wesentlicher Baustein für das Gelingen des Projektes“, so Hörz.
Was ist uns Wertschätzung wert?
Ein heikles Thema bei der Vermarktung krummer Lebensmittel ist für Beate Hörz die Frage nach dem Preis: Immer häufiger wird Ware zweiter Wahl zu sehr niedrigen Preisen im Einzelhandel angeboten. Die Akzeptanz krummer Lebensmittel könne aber nicht gegen unverschämt niedrige Preise eingetauscht werden. „Da vermisse ich den Wertschätzungsaspekt.“ Konsument:innen haben durch ihre Kaufentscheidung einen wichtigen Einfluss darauf, welche Projekte gefördert werden und wie wertschätzend der Umgang mit Lebensmitteln in der Folge ist. „Kund:innen stimmen im Prinzip mit ihrem Geldbeutel darüber ab, indem sie entscheiden, wo sie etwas kaufen.“, so die 55-jährige Geschäftsleiterin des Bio Gemüsehofs. Sie wünscht sich, dass die Verbraucher:innen sich dieser „Macht“ noch bewusster werden. Einen großen Erfolg konnte das Projekt in dieser Hinsicht aber bereits verzeichnen: Nachdem einige der Studierenden zunächst noch günstigere Preise für die Lebensmittel gefordert hatten, sei ihnen im Gespräch klargeworden: In diesen Lebensmitteln stecken genauso viele gesunde Nährstoffe, aber natürlich auch Ressourcen und Arbeitsstunden wie im Gemüse und Obst erster Wahl – deshalb sind auch sie ihr Geld wert.
„Da vermisse ich den Wertschätzungsaspekt. Kund:innen stimmen im Prinzip mit ihrem Geldbeutel darüber ab, indem sie entscheiden, wo sie etwas kaufen.“
Früh übt sich
Damit krumme Lebensmittel zukünftig noch seltener in der Tonne landen, bildet Hörz in ihrem Betrieb Gemüsegärtner:innen aus, die ihre Idee weitertragen. Zudem dürfe man bei der Kommunikation die Kinder nicht vergessen. Das Gefühl für den Wert von Lebensmitteln möchte Beate Hörz daher nachfolgenden Generationen schon früh vermitteln. Hierbei sollen Fragen wie: „Wo kommt das Lebensmittel her, welche Arbeit steckt darin und wie schmeckt es?“ und „Was können wir uns mit gesundem, saisonalem Essen Gutes tun?“ adressiert werden. Hörz verweist auf das ebenfalls mit dem Zu gut für die Tonne! – Bundespreis 2019 ausgezeichnete Projekt „Ackerdemia“. Hier können Kinder und Jugendliche den Anbau nach ökologischen Kriterien hautnah erleben.
Fortsetzung folgt!
Aufgrund der pandemiebedingten digitalen Lehre konnten Studierende den Campus lange Zeit nicht aufsuchen. So musste auch das Projekt „Bodenschätze“ zwischenzeitlich ruhen. „Ich hoffe, dass es eine Fortsetzung gibt“, sagt Hörz. Wenn die Präsenzlehre wiederaufgenommen wird, freuen die Beteiligten des Bio Gemüsehofs Hörz sowie der Universität Hohenheim sich wieder über interessierte und engagierte Studierende.